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Von Freundschaft, Verrat und Missbrauch

Verfehlung_regisseur_2015-04-29
Datum:
Veröffentlicht: 18.5.15
Von:
khg Bamberg

Filmgespräch mit Regisseur Gerd Schneider, Domkapitular Hans Schieber u.a. zum Film "Verfehlung"

Am 29. April zeigte die khg in Zusammenarbeit mit der KEB, der Stadtbücherei und der Medienzentrale den Film „Verfehlung“ im Kino Odeon. Regisseur Gerd Schneider stellte sich im Anschluss den Fragen des Publikums und diskutierte mit dem Bamberger Domkapitular Hans Schieber und weiteren Experten zum Thema sexueller Missbrauch. Doch nicht nur der Film, sondern auch der Umgang des Erzbistums Bamberg mit diesem Thema kam zur Sprache.
Verfehlung_Filmdiskussion_2015-04-29

Am 29. April zeigte die khg in Zusammenarbeit mit der KEB, der Stadtbücherei und der Medienzentrale den Film „Verfehlung“ im Kino Odeon. Regisseur Gerd Schneider stellte sich im Anschluss den Fragen des Publikums und diskutierte mit dem Bamberger Domkapitular Hans Schieber und weiteren Experten zum Thema sexueller Missbrauch. Doch nicht nur der Film, sondern auch der Umgang des Erzbistums Bamberg mit diesem Thema kam zur Sprache.

Von Fridolin Skala

Kino Odeon, Saal 1, 80 Zuschauern und minutenlanges Schweigen nach dem Film. Eine ungewohnte Szene, rennen doch für gewöhnlich mit Beginn des Abspanns die ersten Kinobesucher auf die Toilette oder fangen an, sich über das Gesehene zu unterhalten. Nach der Vorführung von „Verfehlung“ am 29. April 2015, mussten die Zuschauer den Stoff des Films jedoch erst einmal verdauen und waren dankbar für die frische Luft auf dem Weg zur Stadtbücherei. Dort diskutierten im Anschluss an die Filmvorführung Regisseur Gerd Schneider, Domkapitular Hans Schieber, die Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Bamberg Eva Hastenteufel-Knörr und weitere Experten über das Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Dass auch ihnen das Thema nahe ging, merkte man bereits an den ersten Reaktionen auf dem Podium: „beeindruckend“, „bedrückend“ oder „beklemmend, aber sehr stark“, hieß es da.

Bevor die Runde jedoch tiefer ins Thema einstieg, nutzte Gerd Schneider die Gelegenheit zu erklären, warum er das Thema des sexuellen Missbrauchs für seinen Debütfilm ausgewählt hatte. Als ehemaliger Priesteramtskandidat und Theologiestudent brannte ihm das Thema schon vor dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle im Jahr 2010 unter den Nägeln. Aber erst der „dilettantische“ Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen von Seiten der katholischen Kirche, den er mit der Reaktion eines Konzerns, der seine Marke schützen will, verglich, brachte ihn zum konkreten Projekt. Mit dem im Film verarbeiteten Insiderwissen will Schneider aber keinen Kreuzzug gegen seine Kirche führen; er ist noch immer Katholik. Ihm liegt aber am Herzen zu zeigen, wer diejenigen sind, die weggesehen und damit seelsorglich versagt haben. Im Film ist es der Protagonist Jakob, der sich an sich selbst und an seiner Kirche abarbeiten muss und dessen Glaube letztendlich die rote Linie ist. „Man kann ihm beim Zerbrechen zugucken, um zu sehen, wie er sich selbst wieder zusammensetzt“ begründet Schneider die Wahl des Jakob als Identifikationsfigur.

Der Film selbst ist fiktiv, spielt aber etwa im Jahr 2006. Deshalb betonte Hans Schieber von der Bamberger Bistumsleitung, dass es in seiner Diözese keine Geheimhaltungsvereinbarungen wie im Film gab und ein Wegschauen heute in der Kirche nicht mehr denkbar sei. Mittlerweile hätte man die Opfer im Blick und wie ihnen geholfen werden könne. Die Opfer des Missbrauchs waren es auch, die für Eva Hastenteufel-Knörr im Film zu kurz kamen. Sie fand es ebenfalls gefährlich, dass der Täter und seine Vorgehensweise nicht gezeigt werden. Dem Gedanken folgend, dass Tätern nicht sehr viel Raum zugestanden werden solle, konterte Schneider die Kritik, dass ein Opferfilm automatisch ein Täterfilm sei, weshalb beispielsweise Szenen mit einer Täter-Opfer-Konfrontation zwar gedreht, hinterher aber wieder herausgeschnitten wurden.

Ute Staufer vom Notruf bei sexualisierter Gewalt betonte, dass es Missbrauch zwar auch in der Kirche gäbe, diese aber nicht der gefährlichste Ort sei. Nach Zahlen ihrer Einrichtung machen die bekannten Fälle in kirchlichen Einrichtungen lediglich vier Prozent aus. Demgegenüber stehen jedoch 75 Prozent im Kernbereich der Familie und des näheren Umfeldes eines Kindes. Dies zeigt, wo Täter hauptsächlich ihre Chancen nutzen, sich an Kindern zu vergehen. Dass man trotz der vergleichsweise geringen Zahl im Erzbistum Bamberg jedem einzelnen Fall nachgehe, diesen weiterleite und – auch im Falle von Verjährung – Therapien und Anerkennungsleistungen bewillige, zeigt, wie ernst das Thema genommen werde, so Eva Hastenteufel-Knörr. Ihre Kollegin, die Präventionsbeauftragte Monika Rudolf, bestätigt, dass das Thema alarmiert hätte. Man wolle eine „Kultur der Achtsamkeit“ aufbauen und sei deswegen dabei, alle hauptamtlichen Mitarbeiter vom Hausmeister, über die Putzfrau bis zum Pfarrer für das Thema zu sensibilisieren. Nach den über 7000 Mitarbeitern, kämen die Ehrenamtlichen an der Reihe. Bei den verpflichtenden Schulungen werde über Grenzen gesprochen, Wissen vermittelt, etwa zu Täterstrategien oder Kinderrechten und damit eine Sprachfähigkeit geschaffen, die ein Wegsehen schwerer mache.

Abgeschlossen ist das Thema damit für Domkapitular Schieber aber noch nicht: „Die Schulungen werden angenommen, wir haben überall Ansprechpartner bei sexualisierter Gewalt und wir lernen weiter dazu. Aber es bleiben Fragen: Wurde das Thema schon vollständig bearbeitet und müssen wir an der Priesterausbildung etwas ändern?“ Was genau an der Priesterausbildung geändert werden könne, ließ der Domkapitular offen. Dafür brachte Filmemacher Schneider auf Nachfrage aus dem Publikum das Thema Zölibat auf den Tisch. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die Ehelosigkeit nicht die Ursache für Missbrauch oder Pädophilie sei. Für den Priester im Film wie auch für manchen Kollegen in der Realität, sei sie aber sicherlich ein schwerwiegendes Problem.

Viele weitere Fragen aus dem Publikum spiegelten das hohe Interesse an dem Film wider. So berichtete Gerd Schneider den knapp 50 Zuhörern, dass er zur Vorbereitung mit den drei Hauptdarstellern - einem Atheisten, einem ausgetretenen und einem „verwahrlosten“ Protestanten - für sechs Tage in ein Kloster gefahren sei, um ihnen den katholischen Kosmos näher zu bringen. Mit diesem Hintergrundwissen erschloss sich den Anwesenden, warum man den Schauspielern ihre Rollen so gut abnehmen kann und woher der Film seine Intensität nimmt.

Zum Abschluss der Diskussion war die Runde einer Meinung, dass der Abstand einiger Jahre wichtig war, um das Thema des sexuellen Missbrauchs und die dahinterstehenden Fragen von Schuld, Macht, Sexualität in der Kirche heute besser angehen zu können. Das Thema der Prävention müsse aber in die Gesellschaft getragen werden, um schneller als Jakob im Film reagieren zu können. Hochschulseelsorger Dr. Alfons Motschenbacher resumierte als Moderator und Initiator, dass es bis zu einem guten Umgang mit sexualisierter Gewalt in der gesamten Gesellschaft zwar noch viel zu tun gäbe, die Kirche aber inzwischen auf einem guten Weg sei.